Bilder der Alp Schombrina, S-charl im Unterengadin
Lebenslauf Gian Tuffli
Kindheit
Gian erblickte am 1. Juni 1949 als Sohn von Caterina Jole Valbuzzi (7.2.1921 - 2.2.2007) und Christian Tuffli (18.12.1889 - 5.5.1965) das Licht der Welt. Caterina war die zweite Frau von Christian. Seine erste Frau Margaritta Waldburger aus Susch verstarb bereits mit nur 51 Jahren. Christian Tuffli blieb lange Zeit alleine mit seinen drei Töchtern Elsa, Margaritta und Lidia.
Zuerst wohnte die kleine Familie in der Chasa Alba in Crusch, unterhalb Sent. Später zog sie nach Scuol ins Quartier Clozza, wo Gian bei Spiel, Spass und Streichen zusammen mit seinen Kollegen, seine Kinder- und Jugendzeit verbrachte. Er war stolz, einer von diesem Quartier zu sein. Von dort aus besuchte er den Kindergarten und die Primar- und Sekundarschule. Die Schule bereitete ihm keine Mühe und eines seiner Lieblingsfächer war das Singen. Er hatte eine schöne Stimme. Gesang begleitete ihn durch sein ganzes Leben, obwohl er nie einem Chor beitrat, das sei nichts für ihn, meinte er. Er sang dann, wenn er Lust dazu hatte, sei es im Auto, zuhause oder auf der Hütte.
Seine Mutter pflegte gute Beziehungen mit ihrer „Stieftochter“ Margaritta, die in Ramosch mit Paul Michel verheiratet war. So kam es, dass Gian oft bei ihnen weilte und sich mit deren Kindern, Annatina, Arno und Erica bis ins Erwachsenenalter immer sehr gut verstand.
Arno und Gian verbrachten damals viel Zeit zusammen beim Spielen und Ausdenken von Streichen. Mit Annatina machte er die Skipisten von Muota Naluns unsicher und mit Erica hörte Gian im Teenageralter lautstarke Schlagermusik, z.B. "I’am her yesterday man".
Arno war im Besitz eines Holztrottinetts mit Holzrädern. Die zwei Jungs nahmen sich eines Tages vor, von Ramosch nach Scuol zu fahren, allerdings nicht auf direktem Weg sondern über Sent. Gian stand vorne auf dem Trottinett, war nur zuständig für den Blinker und musste wenn nötig einen Richtungswechsel anzeigen. Arno hingegen musste fürs Vorwärtskommen sorgen, was ziemlich anstrengend war. Sie freuten sich auf das Hinunterfahren von Sent nach Scuol. Der Frust war gross, als sie feststellen mussten, dass die Strasse nach Scuol frisch gekiest und eine bequeme Abfahrt so leider unmöglich war. Armer Arno, er war verständlicherweise todmüde bei der Ankunft in Scuol.
Gian verbrachte bereits als kleiner Knirps die langen Sommerferien in der Heimat seiner Mutter, in Bianzone im Veltlin. Anfangs litt er unter starkem Heimweh und jedes Mal, wenn im Tal unten ein Zug einfuhr, hoffte er auf seine Mutter. Dies besserte sich aber, nachdem er seine ganze italienische Verwandtschaft kennen gelernt hatte. Dort lernte er auch seine ersten Brocken Italienisch von seinem Cousin, musste dann allerdings später feststellen, dass es sich vorwiegend um Fluchwörter handelte. Trotzdem erwarb er sich damals Kenntnisse in der italienischen Sprache, was später in seinem Beruf von Vorteil war.
Unterengadiner Brauchtum
Ganz speziell liebte Gian das Unterengadiner Brauchtum (Pangronds, Silvester Schiffchen, Hom Strom und ganz besonders Chalandamarz).
Jeweils am ersten Samstag im Februar traf sich die Scuoler Jugend auf dem Dorfplatz um den Hom Strom (Strohmann) zu bauen. Mit Stroh wurde ein ca. 9 m langer Masten umwickelt. Der Hom Strom wies am Schluss eine beachtliche Dicke von knapp einem Meter auf und wurde am Dorfrand aufgestellt. Natürlich musste dieser während der darauffolgenden Nacht gut bewacht werden. Es bestand die Gefahr, dass er von Burschen aus anderen Dörfern (Sent oder Ftan) abgefackelt wurde. Die Mädchen brachten heissen Tee und die Jungs machten sich einen Spass daraus, diese in der dunklen Nacht zu erschrecken. Am Sonntag versammelten sich die Scuoler beim Strohmann und die ältesten Schüler durften ihn mittels Feuerkugeln (bestehend aus in Petroleum getränkten Lappen) anzünden. Dazu wurde das Lied vom Hom Strom des Dichters und Sängers Men Rauch aus Scuol gesungen.
Einmal gelang es den Sentnern tatsächlich, den Hom Strom tagsüber vorzeitig anzuzünden. Da dies aber nur nachts erlaubt gewesen wäre, mussten die Sünder als Strafe neues Stroh besorgen.
Sommer und Winter
Während vier Sommern verbrachte Gian zwei Monate zusammen mit seinem Vater auf der Alp Schombrina um einige hundert Schafe zu hüten, die unterhalb des Mot das Gajers weideten. Da sein Vater bereits älter war, übernahm er, zusammen mit seinem geliebten Hund Caro, die Aufgabe, die Schafe zusammen zu halten. Tagsüber spielte er auf seiner Mundharmonika oder schnitzte mit seinem Sackmesser seine Initialen/sein Name an die Hüttenwand oder raste, dank seiner blühenden Phantasie, auf seinem Motorrad (einer Baumwurzel) durch sein geliebtes Engadin. Abends, bei Kerzenschein, las er dem Vater vor und bekam dann als Belohnung eine Geschichte aus dessen Leben erzählt.
Jeweils am Wochenende bekamen sie Besuch von seiner Mutter. Von einem Baum in einem Wäldchen oberhalb der Clemgia aus hatte Gian einen freien Blick auf die kleine Brücke, über die sie kommen würde. Geduldig wartend, freute er sich auf sie und die gezuckerte Kondenzmilch und die Kaugummis, die sie aus dem Tal mitbringen würde.
Der Schulstart kam jeweils viel zu früh und so wanderten er und die Schafe wieder den langen Weg zurück nach Scuol.
Zu dieser Zeit lernte Gian auch den jungen Geisshirten kennen, Johann Tappeiner, der aus einer grossen Familie aus dem Stüdtirol stammte. Mit ihm stand er noch sein ganzes Leben lang in losem Kontakt.
Schon relativ früh fand er Spass am Skifahren und natürlich blieb nicht aus, dass er sich dabei ein Bein brach. Er konnte aber von diesem Sport nicht lassen und so fuhr er, ganz zum Leidwesen seines behandelnden Arztes, mit dem Gips Ski. Im Jahr 1956 nahmen die Bergbahnen nach Muotta Naluns ihren Betrieb auf und so intensivierte er sein geliebtes Hobby. Später fuhr er Rennen und blieb dem Skisport sein Leben lang treu.
Im Winter 1962, mit vierzehn Jahren, wurde Gian von einem Skilehrer angefragt, ob er ihm tags darauf mit einem Gast helfen könnte. Er müsste nur mitfahren und darauf achten, dass kein anderer Skifahrer diesen behindern würde. Der Gast war nämlich der damals 15-jährige Prinz Charles. Als dieser an der Seilbahnstation die vielen Reporter erblickte, hatte er keine Lust mehr zum Skifahren und disponierte um. Er wollte sehen, wo sein Skilehrer wohnte. So fuhr man mit zwei Personenwagen nach Ramosch und die Mutter des Skilehrers bewirtete dort die noble Gesellschaft. Das war schon ein spezielles Erlebnis für Gian.
Gians Eltern waren Kleinbauern und hatten Schafe und Schweine. Da gab es jeweils einiges zu tun und es musste im Sommer das Futter für den Winter besorgt werden. Ein Traktor (AEBI 70) wurde angeschafft und Gian liebte dieses Gefährt. Damit führte er Heu, transportierte Lasten und auch diente dieses zum Heimbringen von Kolleginnen und Kollegen nach einem Tanzabend. Natürlich durfte wegen des Lärms erst ausserhalb des Dorfes der Motor gestartet werden.
Aber er hatte in jungen Jahren auch die Gelegenheit, etwas von der restlichen Ostschweiz zu sehen. Der Vater seines Kollegen Robert Baumann besass ein Auto und so bot sich die Gelegenheit, mit dessen Familie zu verreisen. Auch später erzählte er gerne von diesen langen Ausflügen, sogar bis zum Bodensee schaffte man es.
Im Alter von knapp 16 Jahren verstarb sein Vater im Alter von 76 Jahren. Es war nicht einfach für ihn, besonders da er kurz davor stand, eine weiterführende Schule in Chur zu besuchen und er seine Mutter nun mit der vielen Arbeit allein lassen musste. Tagsüber arbeitete sie im Spital und später in den Scuoler Bädern. Nebenbei hatte sie noch ihre Tiere zu versorgen. Sein guter Kollege Reto Vitalini sprang ein und half so gut er konnte. Reto wurde dann später sein Trauzeuge und Götti seines Sohnes Christian.
So ging’s dann nach den Sommerferien 1965 in die Grossstadt Chur. Zwei Jahre besuchte er dort das Lehrerseminar, dann hatte er genug von Schule. Er fand, dass er mit seiner eher ungeduldigen Art kein guter Lehrer abgeben würde. Er startete eine Lehre als Psychiatriepfleger. Dort lernte er auch seinen Freund Philipp kennen.
Israel
Im Jahr 1970 meldete er sich für einen dreimonatigen Aufenthalt in einem Kibbuz in Israel. Philipp und seine Freundin brachten ihn zum Flughafen und Philipp konnte es nicht lassen, ihn auf die Kleine mit den dunklen Haaren in der Gruppe aufmerksam zu machen. Der Kibbuz Revivim befand sich in der Wüste Negev und nebst den Plantagen sah man weit und breit nur Sand. Es war gerade Pfirsichernte und die Schweizer waren stets die schnellsten und zuverlässigsten Arbeiter im Vergleich zu Gruppen aus anderen Ländern und deshalb sehr beliebt. Als im Kibbuz ein Traktorfahrer gesucht wurde, meldete sich Gian natürlich sofort. Er genoss es, wieder Traktor fahren zu können während die anderen „chrampften“. Durch seine offene und kommunikative Art hatte er auch einen guten Kontakt zu den Einheimischen. Micha, dem Betreuer der Gruppe, schenkte er sogar hie und da eine seiner geliebten Marlboro-Zigaretten, mit denen er natürlich während den drei Monaten sehr sparsam umgehen musste. Schnell schnappte er auch einige Brocken Hebräisch auf, und im Gegenzug klärte er die Israelis über unsere vierte Landessprache, das Romanische, auf. Als Dank für den grossen Einsatz bekam die Schweizer-Gruppe eine einwöchige Reise durch den Sinai geschenkt. Dies aber nicht in einem bequemen Bus, sondern eher in einem umgebauten Lastwagen, der auch hin und wieder im Sand stecken blieb und angestossen werden musste. So ging’s via Suez-Kanal zum Katarinenkloster, dann in einer Wanderung hoch zum Berg Sinai und weiter zum Toten Meer und zur historischen Sehenswürdigkeit Massada. Übernachtet wurde im Schlafsack unter freiem Himmel. Weiter ging’s nach Ein Gedi bis hoch nach Jericho und wieder zurück zum Kibbuz Revivim. Viel zu schnell verging die unvergessliche Zeit im Heiligen Land und schon war man wieder zurück in der Schweiz, wo Gian wieder von Philipp empfangen wurde.
Hochzeit, Familie und Beruf
Nach dem Israelaufenthalt arbeitete Gian im Büro der Autoreparaturwerkstätte Agence Américaine in Zürich. Esther, "die Kleine mit den dunklen Haaren" und er waren inzwischen ein Paar. Das Arbeiten in einem Büro entsprach nicht Gians Vorstellungen und sein zukünftiger Schwager Max riet ihm, es doch einmal im Aussendienst zu versuchen. Dieser Vorschlag gefiel ihm. So konnte er selbständig arbeiten und man liess ihm freie Hand, solange die Zahlen stimmten. Zuerst besuchte er die Läden und später die Hotels im Kanton Graubünden und Tessin. Er liebte es, mit unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu kommen und Verkaufsgespräche lagen ihm. So blieb er bis zu seiner Pensionierung im Aussendienst tätig.
Zu der Zeit lernte er auch Albert Weber kennen. Da sie bei der gleichen Firma tätig waren, einfach in unterschiedlichen Sparten, besuchten sie stets gleichzeitig ihre Kundschaft im Engadin und machten gemeinsam die Gegend unsicher. Gian erinnerte sich später gerne an einige abenteuerliche und unvergessliche Episoden.
Am 17.7.1971 heiratete das Paar im kleinen Kirchlein in S-charl, nicht allzu weit entfernt von der Alp Schombrina, wo Gian in seiner Jugend zusammen mit seinem Vater die Schafe gehütet hatte. Der Start in diese Ehe gestaltete sich nicht problemlos. Nach der Trauung und der anschliessenden Feier im Restaurant Major, begann es heftig zu regnen und ein Murgang versperrte die Strasse nach Scuol. Erst am Morgen danach war der Weg für die Hochzeitsgesellschaft wieder frei. Nur Herr Pfarrer Duri Gaudenz hatte es noch geschafft, aus dem Tal hinaus zu kommen, allerdings mit einigen Beulen am Auto. Obwohl der Start in die Ehe durch dieses Unwetter etwas misslungen war, blieb das Paar die nächsten 50 Jahre zusammen.
1972 erblickte Sohn Christian das Licht der Welt und zwei Jahre später Tochter Rachel. Gian war dem Nachwuchs ein guter Vater und versuchte, ihnen seine Werte weiter zu geben. Er kümmerte sich um sie, nahm an ihrem Leben teil, unterstützte sie, wo er konnte und vor allem interessierte er sich für ihre Hobbys und ihre Belange, auch als sie sich später für ihren zukünftigen Beruf entscheiden mussten. Diverse Herbstferien verbrachten Rachel und Christian bei ihrer Nona im Unterengadin. Diese Zeit genossen sie und Nona zeigte ihnen die Umgebung von Scuol. Einen kleinen Vorwurf machten ihm seine Kinder allerdings schon, als sie etwas älter waren, nämlich, dass er ihnen die romanische Sprache nicht beigebracht hatte. Diese hätte ihnen beim Erlernen anderer Sprachen Vorteile gebracht.
Für den 2. März 1974 hatte seine Firma (Firma Hügli, Steinach) einen Skitag mit Skirennen in Österreich vorgesehen. Am Abend zuvor präparierte Gian voller Vorfreude seine Skis, so wie er es früher jeweils getan hatte. In der Nacht weckte ihn seine Frau und klagte über Wehen. Morgens um 7 Uhr lud Gian seine Skis auf den Skiträger und zusammen fuhren sie ins Spital. Um 9 Uhr war es soweit. Rachel war auf der Welt und Gian fuhr zusammen mit seinem Schwager ins Voralbergische, wo er gerade noch rechtzeitig zum Rennen eintraf. Er holte sich dort die Goldmedaille, die er dann voller Stolz seiner Frau ins Spital brachte und die seine Tochter natürlich noch heute aufbewahrt.
Militärdienst
Natürlich musste auch Gian seinen Dienst am Vaterland leisten. So startete er am 21. Juli 1969 die Rekrutenschule als Mitrailleur in Andermatt. Durch den Militärdienst traf er auch wieder auf seinen guten Kollegen Orlando Steiner. Die Beiden hatten die ganze Schulzeit zusammen in Scuol verbracht. Zukünftig blieben die Zwei auch weiterhin während des ganzen Lebens in losem Kontakt. Traurigerweise verstarb Orlando nur wenige Tage nach Gian, erst 71-jährig, an einer schweren Krankheit.
Während drei Wiederholungskursen war Arno Michel Gians Vorgesetzter. Arno war ja der Sohn seiner Halbschwester, also eigentlich sein Neffe, aber ein paar Jahre älter als Gian. Mit Sicherheit hatte es Arno nicht immer leicht mit diesem gerne provozierenden, manchmal etwas aufmüpfigen Soldaten Gian Tuffli.
Die Truppe war unterwegs Richtung Pizol mit Vollpackung. Beim zweiten Marschhalt kam die Mitteilung, dass Divisionär Sprecher auf dem Weg zu ihnen war. Sofort herrschte Alarmstimmung und alle mussten sich gruppenweise auf ein Glied am Strassenrand auf ihre Rucksäcke setzen. Reden war strengstens verboten, nur auf Anfrage des Divisionärs durfte gesprochen werden natürlich erst nach ordnungsgemässer Anmeldung. Als der Divisionär auf Gians Höhe war, stand dieser auf und streckte ihm ein Stück Militärschokolade entgegen mit der Frage, ob er auch ein Stück wolle, selbstverständlich ohne sich vorzustellen und sich anzumelden. Schock bei den Offizieren und alle warteten gespannt auf die Reaktion des Divisionärs, ob Soldat Tuffli nun die Leviten gelesen bekam. Mit einem kurzen „Danke“ nahm dieser die Gabe entgegen und marschierte weiter.
Faszination Technik
Ende 70iger, Anfang 80iger Jahre wurde das CB-Funken für Gian (Globi 66) zum geliebten Hobby. Zusammen mit Funkkolleginnen und -kollegen fröhnte er leidenschaftlich dem Kommunizieren über Funk. Oftmals verbrachten sie die Nächte oberhalb Trimmis beim Aufrufen anderer Funker überall auf der Welt. Höhepunkte waren, wenn plötzlich eine Antwort z.B. aus Brasilien oder Kanada eintraf. Gian erhielt Bestätigungskarten aus verschiedenen Ecken der Welt, die er natürlich alle sammelte. Selbstverständlich durfte man sich nicht erwischen lassen, denn man benutzte Geräte, die für den Hobby-Funk nicht erlaubt waren.
Durch das Aufkommen der Natels rückte das Funken in den Hintergrund und Gian legte sich baldmöglichst ein solches Gerät zu. Auch für seine Arbeit war das Handy sehr hilfreich. Ein Anruf von unterwegs von einem Kunden konnte ihm oft einige Fahrkilometer ersparen.
Als später die Home-Computer aufkamen, interessierten diese Gian von Anfang an und schon bald stand ein Commodore 64 in der Wohnung. Ohne Kurse, aber mit viel Geduld, Ausprobieren und auch Rückschlägen, schaffte er sich sein Know-how an. Er war später auch gerne bereit, sein Wissen in Sachen Computer oder Handy anderen weiter zu geben oder bei auftretenden Problemen Hilfe zu leisten. Wenn es um neue Technik oder spannende Gdgets ging, war er auch als Pensionär der erste, der etwas ausprobiert hatte und beherrschte.
Ferien und Freizeit
Die Sommerferien verbrachte Gian mit seiner Familie über viele Jahre an der Adria. Dort traf man sich jährlich mit bereits bekannten Familien aus verschiedenen Ecken der Schweiz. Man entspannte sich beim Boggia-Spielen, bei Spaziergängen, beim Tummeln im Wasser, mit Lesen oder ganz einfach beim gemütlichem Beisammensein. Auch ein Besuch auf der Gokart-Strecke durfte nie fehlen. Ebenfalls für Rachel und Christian waren die Ferien ideal und später nahmen sie dann Kolleginnen und Kollegen mit. Auch hier sorgte Gian oft für Unterhaltung und wenn es darum ging, jemandem einen Streich zu spielen, war er immer dabei. Nach zehn Jahren erhielt die Familie das Ehrenbürgerrecht von Cervia.
Ansonsten war Gian nicht unbedingt der Weltenbummler. Trotzdem besuchte er einige europäische Städte, z.B. Amsterdam, Athen, London, Paris u.a. Der Höhepunkt für das Paar bildete die Reise durch Californien im Jahr 1995. Trotzdem kehrte Gian immer wieder gerne in sein geliebtes Graubünden zurück.
Als sein Sohn 18 Jahre alt wurde, schaffte dieser sich ein 125iger Motorrad an. Dies reizte Gian, es ihm gleich zu tun. Natürlich war ihm die 125iger Maschine bald zu wenig stark und er kaufte sich die geliebte 650er Africa Twin. Um diese fahren zu dürfen, musste er zuerst eine Prüfung ablegen.
Diszipliniert und ernsthaft übte er fast täglich mit seinem „L“ und er war ziemlich nervös, aber eigentlich guter Dinge, als der Prüfungstag nahte. Leider konnte er nicht ahnen, dass einige seiner Töffkollegen, die gute Beziehungen zur Motorfahrzeugkontrolle und den Prüfungsexperten hatten, einen Streich für ihn vorbereitet hatten. So bekam er einen ihm unbekannten Prüfer zugeteilt. Er gab sich riesig Mühe, alles richtig zu machen. So konnte er es am Ende der Prüfung kaum fassen, dass dieser Experte ihm bedauernd mitteilte, er habe die Prüfung nicht bestanden. Als Gian mit ihm über die Fehler diskutieren wollte, bat ihn dieser ins Büro der Motorfahrzeugkontrolle zur Besprechung. Dort wurde er von einigen seiner Töffkollegen lachend empfangen und da erkannte er, reingelegt worden zu sein. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde!
Und so machte Gian, zusammen mit seinen Töffkollegen (einige noch aus der Zeit des Funkens), die Pässe in Graubünden, der angrenzenden Kantone oder der angrenzenden Länder unsicher, natürlich später auch mit einem bequemeren Motorrad. Er genoss es, sich den Duft der Freiheit um die Nase wehen zu lassen. Aber wie so vieles im Leben, so hatte auch die Zeit des Töfffahrens ein Ablaufdatum. „Alles zu seiner Zeit“ fand er und verkaufte nach vielen gefahrenen Kilometern sein Motorrad.
Nun widmete er sich einem ruhigerem Hobby, dem Wandern. Er wanderte mit Kolleginnen und Kollegen, allein mit seiner Frau, seiner Schwägerin und Schwager oder hin und wieder mit den Kindern und Enkelkindern. Dies tat er in der nähren Umgebung (Calanda, Rot Platte, Montalin, Dreibündenstein usw.) aber auch in seinem geliebten Engadin. So wollte es der Zufall, dass er mit seiner Frau auf einer Wanderung vom Ofenpass nach S-charl war, als die beiden feststellten, dass es der 17.7.71 war. Sie gratulierten einander zum Hochzeitstag und bestiegen danach noch den Mot dal Gajer, an dessen Fuss Gian früher die Schafe gehütet hatte. Danach folgte der Abstieg nach S-charl. Selbstverständlich kamen dabei die Erinnerungen, an die vor 37 Jahren stattgefundene Hochzeit auf und den etwas holprigen, regnerischen Start in ihre Ehe.
Familie, Enkelkinder und Pajols
Am 7. März 2006 erblickte Kimberly, als erste von drei Enkelinnen, das Licht der Welt. Gian freute sich riesig über den Familienzuwachs und wann immer er konnte, verbrachte er Zeit mit ihr. Voller Stolz führte er sie anfangs im Kinderwagen spazieren und genoss dabei die bewundernden Blicke und das Lächeln der jungen Mütter, die ihm begegneten. Er ging mit ihr Skifahren, aufs Eis, brachte sie zum Tanzen wenn Not am Mann war und ganz viel Zeit verbrachte er mit ihr auf der Hütte in Pajols, die er damals bereits gemietet hatte. Kurz gesagt, er war für sie da, wann immer er gebraucht wurde. Es entstand eine sehr enge Bindung zwischen den Beiden, da Kimberly fünf Jahre lang seine einzige Enkelin war. Sogar am letzten Abend seines Lebens hatten die Zwei noch Kontakt über WhatsApp miteinander. Im Jahr 2011 kamen Jessy (Schwester von Kimberly) und Naira (Tochter von Christian) zur Welt. Nun war die Familie komplett und Gian war stolzer dreifacher Grossvater.
Im Jahr 2007 verstarben innert eines Monats seine Mutter und seine Schwiegermutter. Er war glücklich, dass die Beiden seine erste Enkelin noch kennenlernen durften. Als es seiner Mutter in der zweiten Hälfte des Jahres 2006 immer schlechter ging, war Gian unendlich dankbar, dass Margaritta (seine Halbschwester), die bereits zuvor in der guten Obhut im Altersheim Puntota weilte, seiner Mutter kurzfristig einen Platz in ihrem Zimmer anbot. Auch nach dem Hinschied seiner Mutter, besuchte Gian seine Halbschwester hin und wieder, wenn er geschäftlich im Unterengadin weilte. Anlässlich dieser Besuche philosophierten sie über die Vergangenheit und über ihren gemeinsamen Vater Christian Tuffli.
Die Hütte oberhalb Untervaz, die er seit ca. 2005 gemietet hatte, wurde zu seinem Rückzugsort. Hier genoss er die Natur. Allerdings durfte auch hier oben die Technik nicht fehlen. Der Laptop zum Schreiben über sein Leben, ein Radio um die Gratulaziuns auf dem romanischen Sender und um Musik zu hören, sowie sein iPhone, um immer zeitnah auf dem Laufenden über das Geschehen in der Welt zu sein. Auch sein Fotoapparat war wichtig, um bereit zu sein, falls unerwartet ein Tier auftauchen sollte oder die Wolken wieder einmal spezielle Formationen zeigten. Ebenfalls hatte er immer eine seiner Gitarren dabei, auf der er hin und wieder übte. Am Anfang seines Ruhestandes hatte er noch einige Gitarrenstunden bei Arturo Casanova genommen, um seine Kenntnisse etwas aufzufrischen. Last but not least sein neustes Spielzeug, eine Drohne, durch die er seine Hütte und deren Umgebung von oben bewundern konnte. Von hier oben startete er zu seinen Touren, selbstverständlich immer bewaffnet mit seinem Fotoapparat. Das Fotografieren und Filmen im Allgemeinen begleitete ihn schon seit jungen Jahren. Hier oben empfing er auch hin und wieder Besuch von Wanderern. Dann wurde über Gott und die Welt geplaudert. Da fanden auch die Treffen mit der ganzen Familie statt und die Enkelinnen konnten sich in der freien Natur austoben. Auch während des Corona-Lockdowns im Frühling 2020 spielte die Hütte eine grosse Rolle. Hier traf sich die Familie auch weiterhin, denn das Abstandhalten konnte da gut eingehalten werden. Auch genoss er auf Pajols den Corona-Frühling auf den Wanderungen mit seiner Frau und erlebte das Erwachen der Natur. Wer hätte damals gedacht, dass es sein letzter Frühling sein würde.
Abschied von einem Freund
Als Gian von Philipps unheilbarer Krankheit ALS erfuhr, nahm er sich vor, ihn so gut wie möglich in den nächsten Monaten zu unterstützen. Er widmete ihm Zeit und falls irgendwelche Probleme mit dem Computer oder Handy auftauchten, half er jederzeit gerne. Auch seine Hütte besuchten sie noch gemeinsam im Sommer 2013.
Philipp war Theatermacher mit Leib und Seele. Noch während den letzten Wochen seines Lebens studierte er mit seiner Theatergruppe Muntanellas das Stück „Dienstags bei Morrie“ ein. Es hatte seine eigene Krankheit zum Thema. Er hoffte, die Premiere am 29. April 2014 noch erleben zu dürfen. Vier Tage davor, am 25. April, schlief Philipp friedlich ein. Für Gian war es eine grosse Ehre, dass er Philipps Urne nach der Abdankungsfeier zu Grabe tragen durfte.
Gotthard
Im Juli 2015 wurden für die grösste SRF-Produktion aller Zeiten Statisten gesucht, nämlich für einen Film über den Bau des Gotthard-Tunnels (1872 - 1882). Der Film sollte zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Jahr 2016 ausgestrahlt werden. Gian meldete sich und wurde als italienischer Mineur eingeteilt, mit der Auflage, sich bis zum Beginn der Aufnahmen nicht mehr zu rasieren und auch seine spärlichen Kopfhaare wachsen zu lassen. Er war für neun Tage am Set eingeplant und es machte ihm unheimlich Spass, die Kameraleute, Schauspielerinnen und Schauspieler zu beobachten. Mit dem Schweizer Schauspieler Pasquale Aleardi blieb er bis an sein Lebensende über Facebook in Kontakt. Noch im Sommer 2020 besuchte er mit seiner Frau, auf einer ihrer vielen Wanderungen, Valendas, das für die Dreharbeiten zu Göschenen umgestaltet worden war. Wenn seine Enkelinnen sich künftig diesen Film „Gotthard“ ansehen, werden sie dabei ihren Neni entdecken können.
Letzte Auslandsreise
Im Herbst 2019, also kurz vor dem Corona-Jahr, stand Gians letzte Auslandsreise an. Er hatte zu seinem 70. Geburtstag einen Flug nach Israel geschenkt bekommen. Zusammen mit seinem Schwiegersohn André machte er sich auf die Reise. Zuerst ging’s natürlich Richtung Süden zum Kibbuz Revivim, wo er 49 Jahre zuvor drei unvergessliche Monate verbracht hatte. Danach führte die Reise weiter zum Toten Meer, wo sie sich hineinlegen konnten, ohne unter zu gehen. Selbstverständlich durfte ein Besuch in Jerusalem nicht fehlen und später ging es Richtung Norden. Gian genoss diesen Trip durch Israel und hatte danach viel zu erzählen. Wer hätte vermutet, dass diese Reise in sein Herzensland seine letzte Auslandsreise sein würde. Irgendwie hatte sich damit ein Kreis geschlossen.
Sein Wohnort
Gian liebte seinen Wohnort. Die Stadt Chur, ganz besonders deren Geschichte, interessierte ihn sehr. Bei Spaziergängen durch die Stadt machte er auf geschichtlich interessante Gebäude, Strassen, Brunnen und Brücken oder Plätze aufmerksam. Man bekam in seinem Beisein quasi eine private Stadtführung. Da er nicht wollte, dass abgerissene Häuser vergessen werden, startete er sein Projekt „vorher und nachher“. Wo immer bei irgend einem Haus Profile standen, dokumentierte er, wenn möglich den Abriss und auch den Aufbau des neuen Gebäudes.
Für „Chur mon amour“ erstellte er die drei Filme „Chur Alt und Neu“, die er mit den schönen Liedern des Churer Liedermachers Rico Caveng, vertonte. Die auf CDs überspielten drei Filme verteilte er während des Lockdowns 2020 an alle Altersheime in Chur zur Unterhaltung der Bewohnerinnen und Bewohner. Diese dürften bei den Damen und Herren Erinnerungen an das damalige Chur geweckt haben. Vor Corona nahm er jeweils auch gerne an den Treffen von „Chur mon amour“ teil.
Abschied von Gian Tuffli
In der ersten Stunde des 23. Dezember 2020 verstarb Gian ganz unerwartet, ohne vorgängige Anzeichen eines Leidens, viel zu früh. Am 8. Januar 2021 fand die Urnenbeisetzung im engsten Familienkreis statt. Jeder nahm auf seine Art von Gian Abschied, sei es mit Worten, mit Briefen, mit kleinen Souveniers oder einer Kette mit verschiedenfarbigen Steinen (jeder Stein stand für eine von Gians Eigenschaften).
Seine Halbschwester Margaritta schrieb während ihres Lebens unzählige wunderschöne romanische Gedichte. Eines davon war durch Gian inspiriert. Es heisst „Flur da Tschiculatta“. Sein Sohn hat es zu Gians 50. Geburtstag vertont und vorgetragen. Dieses Lied sang er nun zum letzten Mal für seinen Vater, zusammen mit seiner Tochter Naira. Es handelt von schönen Erinnerungen und mit vielen schönen Erinnerungen an Gian leben wir nun weiter.
Flur da tschiculatta
Ün unic respir da l'odur da flammin
da trais fluorinas in üna vasa
am porta davent sün viadi alpin
a tramagl in'na bella cuntrada.
Eu vez bap e mamma, eu vez fradgliuns,
resaint üna pasch e delizcha.
Eu sun circundada da gods e da valluns
cun la natüra in strett' amicizcha.
Ah! Tuot a dürà be ün cuort mumaint,
ma l'anim es bain rinfrais-chà.
Quist dutsch recrear es stat sumgiaint
ad üna bramada plövgiada da stà.
Schwarzes Männertreu
Ein einziger Atemzug des weichen Duftes
von drei Blumen in einer Vase
trägt mich hinaus auf alpine Wege
auf Besuch in einer schönen Gegend.
Ich sehe Vater und Mutter, ich sehe Geschwister,
empfinde eine Ruhe und Freude.
Ich bin umgeben von Wäldern und Gebirgstälern
mit der Natur in inniger Freundschaft.
Ach, alles hat nur einen kurzen Moment gedauert,
aber meine Seele wurde aufgefrischt.
Diese süsse Erholung war ähnlich wie
ein Sehnen nach einem Sommerregen.
Unser Dank
Wir danken allen, die Gian während seines Lebens mit Freundschaft und Güte begegnet sind.
Danke für die zahlreichen Beileidsbekundungen, tröstenden Worte und Spenden.
Ein Dank geht auch an die Personen, die sich Zeit genommen haben, uns über ihre Begegnungen und Erlebnisse mit Gian zu erzählen.